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Behinderte Hunde
Scotty
Scotty zog am 05.03.2005 bei uns ein.
Er kam von einer Privatfamilie, die ihn "wegen Umzug" abgegeben hat.
Eine Tierschutzkollegin rief mich (Anne Melchior) im Februar an und fragte, ob ich Scotty aufnehmen würde. Bekannt war nur, daß es sich um einen 10jährigen Spitzmix handelte, dessen Hinterhand nach einem Autounfall gelähmt war. Er hatte auch keine Kontrolle über Blase und Darm.
Zu dem Zeitpunkt hatte ich keinerlei Erfahrungen mit gelähmten Hunden. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Scotty Freude am Leben haben könnte und war mir sicher, ihm einen Gefallen zu tun wenn ich ihn gleich nach seiner Ankunft zu unserem Tierarzt bringen würde um ihn einschläfern zu lassen.
Familie V brachte Scotty abends vorbei. Schon als ich ihn das erste Mal sah habe ich mich für meine Gedanken geschämt.
Er kam mit einem riesigen Körbchen, das mit PVC ausgelegt war. Mir schwante in dem Moment etwas, was Scotty durch sein Verhalten dann auch bestätigte: er schien wegen seiner Inkontinenz auf das Körbchen reduziert worden zu sein. Er traute sich nicht aus dem Ding heraus, obwohl es ihm körperlich möglich gewesen wäre. Im Laufe der nächsten Wochen hat er gelernt, daß er sich frei bewegen darf und hat das auch zögerlich genutzt. Der Wischeimer stand immer parat :-)
Zunächst habe ich Scotty im Kinderwagen mit auf Spaziergänge genommen, denn er sollte nicht zuhause warten während der Rest der Hunde unterwegs ist. Der Kinderwagen schien mir für ihn aber nicht geeignet, denn er wollte laufen und aktiv mit dabei sein.
Im Internet machte sich dann auch schnell eine Lösung auf: ein Hunderollwagen musste her. Diese Gefährte sind extrem teuer, deshalb haben wir aus einem ausgedienten Kinderwagen ein Cabrio für Scotty gebastelt. Ein ganzes Wochenende wurde gesägt, schweißt, genietet und genäht. Da es unser erster Rolli war, musste Scotty unzählige Anproben über sich ergehen lassen. Er war mit ebenso unbändigem Eifer gesegnet wie wir Rollibauer und so war am Ende des Wochenendes sein Wägelchen samt Einhängung fertig.
Scotty lief mit dem Ding los als hätte er es nie anders gekannt. An Hindernissen blieb er anfangs immer hängen, wir ließen ihn aber machen. Es dauerte nicht lange bis er lernte den "Rückwärtsgang" einzulegen wenn er mal hängen blieb.
Und er lernte ganz schnell, wie breit sein neues Hinterteil war und umfuhr Hindernisse. Anfangs musste er an der Leine bleiben, da er nicht horchte. Das war höchst unbefriedigend, denn er sollte sich mehr bewegen können als nur 2m an dessen anderem Ende ich hing.
So fing ich an mit Scotty zu üben und es dauerte nicht lange bis er ohne Leine laufen durfte und zuverlässig auf die wichtigsten Kommandos hörte. Sei es am Straßenrand stehen zu bleiben, nicht ohne Erlaubnis zu anderen Hunden zu laufen oder den anderen Hunden mal den Vortritt beim Bällchenfangen zu lassen.
Er lernte auch recht schnell, daß fremde Hunde nicht zum Anknabbern da sind, sondern man wunderbar mit ihnen spielen kann. Wobei so mancher fremde Hund sich erst mal an den Anblick eines Hundes im Cabrio gewöhnen musste. So was sieht man nicht alle Tage und das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen........
Es schien als wenn Scotty vom ersten Moment ahnte, daß dieser Wagen ihm ungeahnte Mobilität schenken würde. Ich kann nicht beschreiben wie wundervoll es war ihm zuzusehen wie sehr er seine neu gewonnnene Freiheit genoß.
SAT1 war da und zeigte ihn im Regionalprogramm.
Schwimmen war eins seiner Hobbies
Plötzlich ging es Scotty schlecht. Sein Bauch blähte sich auf, er konnte kein Wasser mehr lassen. Es wurde sofort eine Not-OP durchgeführt in der ihm ein großer Tumor an der Blase entfernt wurde. Leider hatte der schon zu viel Schaden angerichtet, zwei Tage später mussten wir Scotty gehen lassen. Nach 5 kurzen, aber ausgefüllten Monaten.
Auch nach so vielen Jahren hinterlässt er eine Lücke.